Schlagwörter
… denke ich abendlich, als ich auf der abgemähten Wiese ein Reh stehen sehe. Es geht natürlich doch weg, denn es kann meine Gedanken nicht lesen. Das alternde Hundefräulein kann meine Gedanken offensichtlich lesen und weiß, dass ich ihr gelegentlich einiges durchgehen lasse, einfach weil sie so deutlich altert. Meine alte Jägerin hat ein ganzes Leben lang „Nein“ gehört. Rehe: verboten, Hasen: verboten, Katzen: verboten…. Kaninchen: verboten…. trotzdem und an der Leine geschossen und verspeist. Ca. 12 Jahre lang, ca. 5 mal am Tag: Nein! Das macht etwa 22tsd mal: Nein!
Aber das wollte ich gar nicht sagen, sondern: die CityKids sind wieder da. Drei herzerwärmende Kids wie aus einem Bullerbü-Film und doch kommen sie aus der großen festländischen Stadt. Die Eltern von Nele, Jakob und Finja haben ein altes Bauernhaus gekauft, damit ihre Kinder frei aufwachsen können. Zumindest an den Wochenenden und in den Ferien. Brav kauen sie die gesundheitsbewussten Eltern nach und erzählen mir, die ich doch aus der Großstadt komme – aber das können sie nicht wissen – vom Feinstaub, von zu viel Digitalkram und vom Übel des Nikotins. Sie schaukeln im Baum, sprechen mit den Pferden auf der Weide und basteln Blumenketten, während sie auf die Dorfkids warten. Die Dorfkids allerdings hocken zu Hause und spielen an der Playstation und am Handy, chatten mit den Schulkameraden und lassen ihre von den Eltern eingelassenen Schwimmbecken verwaisen.
Die Nachbarin hingegen rechnet hoch, wie viele Kaninchen und Meerschweinchen pro Urlaubsaison das Zeitliche segnen, einfach weil die Stadtkinder sie auf den bauernhofeigenen Streichelzoos fallen lassen würden. Ich lenke sie vom Thema ab und während wir so über Tierärzte philosophieren erzählt sie, wie ihr Pferd von einer schlimmen Erkrankung geheilt wurde. Es war die Handauflegerin aus einem Nachbarort, die sehr zum Ärger der Tierärztin das Pferd gesunden lies. Auch die alte Bäuerin von nebenan hat sie im Winter von einer fiesen Gürtelrose kuriert. Sehr zum Ärger des Hausarztes natürlich, dem sie alles gestand als sie ihm die Cortison Tabletten zurück brachte.
Während ich uneinig bin mit mir selbst, denke ich darüber nach, ob wirklich drei Familien der Zitterspinne samt beachtlichem Nachwuchs in unserem Badezimmer überleben sollen. Nächtens beantworten sie die Frage selbst und lassen den guten alten Darwin hochleben. Nun sind nur noch eine Mutter und eine Junge übrig.
Im hohen Raps kichern die Kitze wenn die Mütter ihnen von der dunklen Jahreszeit erzählen, die sie noch nicht kennen. Sie denken, die Rehmütter spinnen, während sie und wir auch, in die beleuchtete Nacht starren. Bis mitternachts ist ein Sonnenstreifen am Horizont zu sehen, der bereits gegen 3.00 wieder auftaucht. Bis dahin hocken die sechs kleinen Blesshühnchen im Gefieder der Mutter.
Ich sollte lieber schlafen gehen, statt sinnloses Zeug zu salbadern und irgendwo ist ein Wurm drin.
Trippmadam sagte:
Was für ein schöner nächtlicher Text.
LikeGefällt 2 Personen
meertau sagte:
*knicks und freu*
LikeGefällt 1 Person
wildgans sagte:
Der letzte Satz, den würde ich löschen. Wieso denn dein Licht unter den Scheffel stellen? Nicht doch!
LikeGefällt 3 Personen
meertau sagte:
liebe Wildgans,
ich muss einfach immerzu schreiben, was ich so vor mich hindenke. Und tatsächlich komme ich mir in der Regel völlig nutzlos und albern vor. Aber ich freue mich über Deine Zeilen!
LikeLike
Herr Ackerbau sagte:
Der Absatz zu City- und Dorfkids war für mich schön und beruhigend..
LikeGefällt 1 Person
meertau sagte:
dann bin ich auch beruhigt 🙂
LikeLike
tikerscherk sagte:
Ihr Text ist mal wieder so schön und er stimmt mich innerlich ruhig.
Gerade eben habe ich einer Wunderheilerin eine Nachricht geschrieben, ob sie denn bitte mein Tölchen gesund machen kann. Jetzte lese ich, dass das tatsächlich funktionieren kann.
Ich würde gerne Ihren und meinen Hund in den Jungbrunnen werfen und frisch und gesund wieder heraus holen. Dann könnte die eine die ganz wunderbar beschriebenen kichernden Kitze aufscheuchen und die andere würde sie bewundernd dabei beobachten.
Sie haben ein so großes Talent im Plauderton die Melancholie zu beschwören!
LikeGefällt 1 Person
meertau sagte:
liebe tikerscherk,
das mit dem Jungbrunnen ist so ein herrliches Bild. Ich sehe den fassungslosen Blick der wasserscheuen Hündin vor mir, während sie hineingeworfen wird. Und ich sehe sie vor mir, wie sie wieder jung, kaum zu bändigen, hinter allem her jagt, was halbwegs nach Hase oder Reh aussieht. Im weichen Gras sitzt ein Tölchen mit Belustigung in den Kulleräuglein. Sie wartet, dass die meinige ihr ein Kaninchen vorbei bringt und sie es schwesterlich teilen.
*und lieben Dank für die lieben Zeilen….. der „Plauderton“ gefällt mir…. und überhaupt!*
LikeGefällt 1 Person
Flowermaid sagte:
Letzte Sätze sind so was von überbewertet in schönen Texten… der Sonnen sagt alles 😉
LikeGefällt 1 Person
meertau sagte:
Kicher…. letzte Sätze sind ebenso überbewertet, wie erste Sätze…. und doch können wir die Sätze so sehr schätzen. Ich z.B. den Ihren 🙂
LikeGefällt 1 Person
muetzenfalterin sagte:
auf keinen Fall schlafen gehen, sondern immer wieder solche Texte schreiben… Frau Tikerscherk hat das sehr schön benannt, diesen sehr beruhigenden und einfach schönen Plauderton der Melancholie, den Sie hier verbreiten…
LikeGefällt 1 Person
meertau sagte:
hach…..liebe Falterin….. ich hatte schon durchgeklingelt, um einige Komplimente mit Dir auszutauschen, aber der Teuto war leider unbesetzt.
LikeLike
schneck sagte:
genau, frau tikerscherk bringts mal wieder auf den punkt, liebe rosmarin. so schön kann das beschreiben vom würmersuchen sein.
LikeGefällt 1 Person
meertau sagte:
lieber Schneck…. merci und überhaupt fällt mir da ein utube ein, das nicht von würmersuche, sondern von mäusesuche handelt…. ich muss das mal suchen.
lieben gruß in den süden.
LikeLike
schneck sagte:
pferd auf mäusesuche…hochgeladen am 3.7.2009:
>>> https://youtu.be/5S7GcEnYCD8
LikeGefällt 1 Person
karfunkelfee sagte:
Schon mehrfach gelesen jetzt. Was ich der in die Jahre gekommenen Hundelady sagen könnte wäre: Auch mir wurde das Jagen untersagt. Doch Du bist ein armer Hund und ich ein Mensch und von Moral, Jagdverbot und Schonzeit verstehst Du nix. Dir bleibt ein schöner Knochen und den Wind zu fangen als Ersatz und mir Mensch bleibst Du Hund und Schatz, das soll zum Glück der Jagd uns beiden zur Genüge langen…
Die Kids auf der Insel sind auch nicht mehr das was sie nie waren, doch überhaupt und trotz alledem ist dies alles ein Bild von einem Reh auf einer Wiese und dem sage ich:
Du bist so schön, bitte bleibe…
Danke für diese Betrachtungen, wie immer gewürzt mit jeder Menge Lokalkolorit, mit Herzblut geschrieben und nicht zu vergessen die feine Prise Humor, die das Tränchen im Augwinkel stiehlt und in einen Spritzer Meerwasser verwandelt.
Herzliche Grüße von der ziemlich regendurchweichten Teutofee…✨
LikeGefällt 2 Personen
meertau sagte:
liebe karfunkelige Fee…..
puh…. da muss ich mir die Äuglein reiben und hab nun ebenso mehrfach Ihre allerliebsten Zeilen genossen!
LikeGefällt 2 Personen
karfunkelfee sagte:
…aber allergernst und ein liebevolles Zausen für die Hundelady, die Sie so schön zu Ihren Betrachtungen inspiriert, schicke ich auch noch Richtung Inselgefilde…✨
LikeGefällt 2 Personen
Lakritze sagte:
Na, den Wurm möchte ich sehen. So ein schöner Text.
LikeLike