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…. habe ich beschlossen, einige Worte auf die Goldwaage zu legen und Ihnen (die hier noch lesen) abschließend ein Geheimnis für Glück zu verraten.
Ich fühle mich nicht im „Krieg“ gegen ein Virus, sondern ich betrachte mit größter Beunruhigung, wohin uns diese Sprache führt. Nämlich in den Irrsinn, die Angst und die Unfreiheit. Mit aller Kraft scheint eine wesentliche Mehrheit an den Gitterstäben von innen fest zu halten, die sie sich selbst durch Panik und geschürt durch Zahlenspiele, gesetzt hat. Ich kann auch das Wörtchen „systemrelevant“ nicht mehr hören, denn ich halte es für einen versteckt faschistoiden Begriff, der neue Unterscheidungen zu treffen versucht. So soll ich dankbar dafür sein, dass Menschen ihren Job noch machen, die immerhin froh sein können, noch einen Job zu haben.
Ich kann auch den Schlagzeilen nicht glauben die mir weiß machen wollen, dass die „neuen Arbeitslosen durch Corona“ entstanden sind. Sie sind nicht durch Corona arbeitslos geworden, sondern durch Entscheidungen von Menschen. Im übrigen wurde uns der weltweite Kollaps des Wirtschaftssystems schon 2019 durch die Wirtschaftsweisen vorher gesagt.
Sind all die Künstler, Arbeitslosen, Bahnschaffner oder Fitnesstrainer nicht relevant für das System? Sollten nicht Tanzlehrer unsere Helden sein, statt Lokalpolitiker? Hier auf Inselanien finden sie nämlich, dass das Homeoffice eigentlich gut funktioniert, ebenso wie Videokonferenzen und daher bleiben die Ämter geschlossen und man kann ja telefonisch um einen Termin bitten, wenn man es gar nicht umgehen mag oder kann, sie persönlich zu sprechen? Schön, dass sie sich den Hintern fröhlich zu Hause platt sitzen für ihr Gehalt, das wir mit unseren Steuern bezahlen. Sie bedanken sich dann gern bei den KassiererInnen im Supermarkt dafür, dass sie ihr „Leben riskieren“, während der Amtsschimmel brav zu Hause im Stall wiehert.
Unter „Kooperation“ verstehe ich auch nicht den bedingungslosen Gehorsam, den die Politik derzeit einfordert, sondern ich verstehe darunter die Einsicht, dass man freiwillig dem Anderen entgegen geht. Allerdings scheinen wir uns heute mehr gegeneinander zu bewegen, als aufeinander zu. Was ist aus dem guten alten Diskurs geworden, wohin die Diskussionskultur? Man ist entweder „Verschwörungstheoretiker“ oder aber Teilnehmer der Wahrheit. Man sondert in den sozialen Medien oder Kommentarfunktionen der Leitmedien eine Meinung ab, und kann sich dann schon ausrechnen, welches „Lager“ aufschreit und mit wüsten Beleidigungen reagiert. Kein aufeinander zu bewegen, sondern Entgegnungen feindseliger Art. Keine ergebnisoffene Diskussion, sondern ein Hauen und Stechen mit Argumenten, um den Anderen nieder zu ringen und sich selbst oben zu fühlen. Mich widert das an.
Ach ja…. „Diskussionsorgien“ auch ein hübsches Wort unserer Kanzlerin und ich frage mich, wann eigentlich der demokratische Gedanke abhanden kam. Es muss vor vielen Jahren gewesen sein und wir haben es irgendwie nicht bemerkt. Oder doch bemerkt, aber nicht wahr haben wollen. Dies führt mich zu der genialsten Wortschöpfung, die unser Gesundheitsminister erfand. Den „symptomfreien Virenträger“. Ich frage mich, was so schlimm am Virus ist, wenn so viele symptomfreie Virenträger frech damit herum laufen.
Mir wird übel, wenn ich über all das nachdenke und fast möchte ich „erwachet“ rufen, wenn auch dieses Wort nicht längst an eine merkwürdige Sekte gebunden wäre. Adieu Freiheit im gesellschaftlichen Diskurs, welcome persönliche Freiheit des Rückzugs. Womit ich bei meinem Glücksrezept bin. Nein, natürlich nicht das einzige Glücksrezept, das ich habe, aber eines der wirkungsvollsten. Natürlich ist es mein größtes Glück, mit Palma am menschenleeren Strand zu laufen, die Natur zu bewundern und die Stille zu genießen. Aber oft mache ich mir Sorgen, oder ärgerte mich vor drei Monaten noch über allerlei lästige berufliche und andere Fragen. Ich neige zum Grübeln und vermisse meinen verstorbenen Vater sehr.
Ganz zufällig habe ich entdeckt, dass ich in Momenten der Traurigkeit und Wut, der Grübeleien und des ungeduscht und schlunzig aus dem Haus Gehens, dennoch einen kleinen, günstigen und total einfach gestrickten Happymacher im Haus habe.
Meinen Lippenstift. Ja, Sie mögen jetzt leicht hysterisch auflachen und an meinem Verstand zweifeln. Tatsächlich ist mir das nicht so wahnsinnig wichtig. Denn Fakt ist, dass wenn nichts mehr hilft, der Lippenstift doch hilft. Lachend spaziere ich ungeduscht und schlunzig durch die Heidelandschaft am Meer, sobald die Lippen rot sind.
AQ sagte:
Oh wie wohltuend, Ihre Worte sind Seelenbalsam und ich kann nur sagen: dito!
Allerdings ohne Lippenstift, den lasse ich jetzt immer ein bisschen traurig weg, weil ich mir das „Mundtuch“ nicht „verschmieren“ will, denn ich trage da, wo es sein muss, Tuch statt Maske – jawoll!
Wenn ich auf meiner letzten Hunderunde des Tages wie neuerdings so oft ein paar Tränchen weine, frage ich mich oft, was mein verstorbener Vater zu all dem sagen würde und vermisse seinen Humor.
Also auch hier: dito!
In Verbundenheit – so völlig unbekannt – herzlichst
AQ
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Geschichten und Meer sagte:
Corona bringt in einigen Menschen das Beste, in anderen das Schlechteste zum Vorschein. Ich mache mir nicht die Illusion, dass wir nach Abklingen der Pandemie (kann man das überhaupt so formulieren?) bessere Menschen mit einem besseren Wirtschaftssystem sein werden.
Kleine bescheuerte Dinge wie Lippenstift oder in meinem Fall ein gestern genähter Mundschutz mit Punkten (muy flamenco!) – man braucht das anscheinend.
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meertau sagte:
ja, diese kleinen „bescheuerten Dinge“ taugen, um uns fröhlich bleiben zu lassen und das ist vermutlich in diesen neuen Zeiten sehr wichtig und hält uns hoffentlich Herz und Verstand klar 🙂
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pueringer sagte:
Ich schäme mich ein wenig, weil ich 3 Texte gebraucht habe, bis ich bemerkt habe, dass hier wieder wundervoll wahre Worte stehen! Ich lebe schon lange nach dem Motto von kleinen Glücksmomenten und einen solchen hatte ich jetzt! ❤️
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meertau sagte:
wie schööööön 🙂
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Reiner sagte:
Viel zum nachdenken.
Danke & Grüße 🍀👋
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Klagefall sagte:
Sie fragen sich, was so schlimm am Virus ist, wenn so viele symptomfreie Virenträger frech damit herum laufen.
Die einfache Antwort ist, dass man auch symptomfrei ansteckend ist. Das ist eine tückische Angelegenheit, einem selbst geht es gut, man kann die Krankheit aber auf andere übertragen.
Es geht einfach um Solidarität mit anderen Menschen, aber für manche ist die eigene Selbstverwirklichung eben das höchste Gut.
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meertau sagte:
Ja, das ist mir alles bekannt und tatsächlich war es eine rhetorische Frage .
Da vermutlich sehr viele bereits lange vor dem sogenannten lockdown, infiziert und symptomfrei waren (oder nur leichter Symptomatik), ging es mir um die Frage der Verhältnismäßigkeit von Sprache und damit verbundenem Handeln.
Zum Thema Solidarität rennen Sie bei mir offene Türen ein.
Selbst der Ministerpräsident Schleswig-Holsteins erläuterte neulich den Sinn unserer Masken, der vorwiegend in der psychologischen Wirkung (Signale der Solidarität im Sinne von „ich bemühe mich, dich nicht anzustecken“) liege.
Die suggestive Kraft all unserer Maskerade ist sicher enorm. Das weiß der Ministerpräsident, denn er ist tatsächlich auch Psychologe.
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Fjonka sagte:
… und ich, die immer schon großes Mißrauen gegen Symbolik hegt, finde genau diese sinnlosen Symbole der angeblichen Solidarität, die Handschuhe und die Maske, am schlimmsten!
Ich kann einsehen, Abstand halten zu müssen. Ich kann „brav sein“ und kaum Leuzte treffen – weil ich einsehe, daß ich damit solidarisch bin. Ich kann NICHT einsehen, daß ich vollkommen sinnlos vorgeschrieben bekomme, mich einzuschränken, nur weil’s Symbolkraft besitzt. Daß ich es MUSS, (Maskenpflicht, Chefin, die Handschuhe auffe Arbeit vorschreibt), das macht mich wütend
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meertau sagte:
Ich versteh Sie nur zu gut. Bisher war Vermummung verboten, nun soll sie uns in Sicherheit wiegen….. so wendig ist die Bedeutung 😊.
Das schlimmste findet in den Gehirnen statt und ich hoffe, dass die Kleinen in unserer Gesellschaft das nicht als „normal“ verinnerlichen
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Klagefall sagte:
Aha, eine rhetorische Frage. War für mich schwer zu erkennen.
Die Masken haben nicht nur eine psychologische Wirkung, sondern eine physikalische. Es gibt inzwischen valide Daten, dass auch einfache Masken das Infektionsrisiko vor allem beim Gegenüber senken. Es ist vor allem eine Tröpcheninfektion, Masken verkleinern den Radius, in den der Atem ausströmt. In den asiatischen Ländern (oder in Tschechien oder in New York) werden die Masken ja nicht aus Jux getragen oder weil ein deutscher Ministerpräsident etwas erzählt. Masken sind nicht sinnlos, im Gegenteil.
Ich finde die Masken auch unangenehm und einschränkend, aber wenn ich damit die Verkäuferin oder den Busfahrer schützen kann, geht es eben nicht nur um mich. Das verstehe ich unter Solidarität.
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meertau sagte:
Diese validem Daten scheinen beim deutschen Ärzteblatt nicht vorzuliegen.
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/111799/COVID-19-Patienten-husten-Viren-durch-chirurgische-Masken-und-Baumwollmasken-hindurch
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meertau sagte:
Auch das RKI ist am 27.04….. sicher unsicher.
Zitat: „eine solche Schutzwirkung ist bisher nicht wissenschaftlich belegt, sie scheint aber plausibel.“
https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Mund_Nasen_Schutz.html
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muetzenfalterin sagte:
Ach, was für ein schöner Schluss!
Systemrelevant konnte ich von Anfang an nicht ausstehen. Nicht zuletzt, weil sich niemand Gedanken gemacht hat, welches System da denn gemeint sein sollte? Sicher nicht nur das Gesundheitssystem… Es ist zum Heulen. Diese Heuchelei, jetzt bezüglich der Fleischbetriebe, all die menschenverachtenden Praktiken, die dem System dienen. Dreimal drüfen Sie raten, welches System gemeint ist. Kleiner Tipp: besonders humanistisch ist es nicht.
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meertau sagte:
was Sie über Fleischbetriebe und menschenverachtende Praktiken schreiben, kann ich gut nachvollziehen. Nun murren die Erntehelfer nach vier Wochen Quarantäne auf und möchten einen guten Lohn. Verständlich, immerhin haben sie uns Deutschen den Spargel gerettet 🙂
Nun, da Pflege und Medizin in großen Teilen in Kurzarbeit waren/sind, wird vermutlich weder Personal aufgestockt, noch besser bezahlt. Schaun wir mal.
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Fjonka sagte:
Bis auf den Lippenstift kann ich nur sitzen und nicken … was der Einen der Lippenstift ist der Anderen der Garten. Kraftquelle, Hüter der guten Laune…. 😉
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meertau sagte:
Gute-Laune-Hüter…. genau 🙂
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karfunkelfee sagte:
Bin da ganz bei und nicke stumm. Gruselige Begriffe: “neue Normalität”…”Social distancing”…
Brave New world…A. Huxley. Ein Verschwörungstheoretiker, den niemand wagt, so zu bezeichnen, den ich gerade wieder lese, jeden Tag ein Schluck Huxley gegen den schlimmen Hicks, den mir diese Tracking-App verursacht, diese zunehmende Aufspaltung in FürWider-Schwarzweiß-Malereien.
Hicks.
Schöne neue Welt und “normal” geht ganz anders. Dennoch entsende ich Lichtrosinchen, positive Gedankenketten und Sympathiegeschweife nach Insulanien.
Herzlich,
Amélie
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meertau sagte:
ja witzig, an den guten alten Huxley habe ich auch oft gedacht in den vergangenen Wochen und mir fest vorgenommen, ihn mal wieder zu lesen, den alten, schlauen Prognostiker 🙂
Danke für Lichtrosinchen und Sympathiegeschweife
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Raul Katos sagte:
Ja, über die Worte kann man gerne streiten, ich mag bestimmte Rhetorik auch nicht. Die Populisten der Welt und auch unsere europäischen Freunde haben es uns ja erklärt, wie sie „dagegen kämpfen“ und welche „Kriege“ sie führen. BTW auch Menschen kämpfen um ihr Leben, so ist leider der Sprachgebrauch. Aber insofern fand ich die damalige Ansprache der Kanzlerin angenehm nüchtern und sachlich – eben keine aggressive Wortwahl. Das wurde sogar in USA bemerkt (New York Times, wenn ich mich recht entsinne oder Washington Post).
Und warum regen sich die Leute eigentlich so sehr über den Begriff „Diskussionsorgie“ auf? War das mal wieder „politisch nicht korrekt“? In einer Situation, wo die Verantwortlichen rund um die Uhr versuchen, in einer völlig unbekannten und schwer einschätzbaren Situation die besten Entscheidungen zu treffen, und dabei stets im Blick zu haben versuchen, wie lange man was tun kann, kommen Wichtigtuer daher, um uns und dem Rest der Welt die Dinge zu erklären, die wir längst wissen, für die aber in dem Moment schlicht keine Zeit ist. Unabhängig davon ist gar nicht klar, was der eine oder andere Vorschlag an Vor- und Nachteilen für die Neuinfektionen mit sich bringt. Man kommt sich vor, wie bei einem brennenden Haus, aus dem noch Menschen gerettet werden sollen und wo das Übergreifen der Flammen auf andere Gebäude noch verhindert wird, und draußen stehen die Nachbarn und halten die Feuerwehrleute und Sanitäter von ihrer Arbeit ab, indem sie darüber diskutieren, dass die Verantwortlichen doch schon mal erklären sollen, was sie mit dem Brandgeruch und der Rauchbelästigung zu tun gedenken, und verlangen, Pläne vorzulegen, wie man das Gebäude wieder neu aufbauen kann oder was man mit dem frei gewordenen Grundstück tun könnte. Ich finde, der Begriff „Diskussionsorgie“ ist sehr zutreffend.
Interessant auch für mich, dass man als Mahner grundsätzlich in die andere extreme Ecke gestellt wird (die einen sind ja die Leugner). Es ist schon beklemmend, wenn verniedlichend von „Zahlenspielchen“ geschrieben wird. Es geht dabei um einfachste Mathematik – und eben gar nicht um die „Wahrheit“! Man kann gerne versuchen, den Leugnern der Pandemie zu erklären, wie sich die Dinge entwickeln können, wenn keine Beschränkungen durchgesetzt werden. Das würde aber voraussetzen, dass sie mehr als zwei Sätzen zuhören, dass sie mehr als eine Bildzeitungsartikellänge lesen, und dass sie sich einfach mal darauf einlassen, zuzuhören, nachzudenken und dann vielleicht zu verstehen. Es würde ja auch reichen, die Beispiele UK, Türkei, USA oder Russland anzuschauen, die alle den schmerzhaften Weg gehen wollten; die lange die Gefährlichkeit des Virus geleugnet haben. Warum wohl sind die dann alle im Lockdown geendet? Es wäre vielleicht auch mal sehr heilsam, zu zeigen, wie die Menschen, die keine medizinische Versorgung haben, jämmerlich verrecken (wer ein besseres Wort dafür hat, wenn man über Tage praktisch permanent das Gefühl hat zu ersticken, bis es dann endlich passiert, möge es gerne korrigieren). Das ist vielfach in Italien – und sicher auch an vielen anderen Orten auf der Welt – passiert. Darüber redet aber keiner. Irgendwo taucht dann die Minimeldung auf, dass in Italien 150 Ärzte (!) an Corona gestorben sind. Wir wissen vermutlich alle von dem einen chinesischen Arzt, der die Gefährlichkeit erkannt hat, der mundtot gemacht wurde und der am Ende auch an Corona gestorben ist.
Ich finde im Gegenteil, dass die Wortwahl oftmals viel zu harmlos ist. Panikmache wäre viel angemessener als diese weichgespülte Rumgeseiere, das jedem irgendwie immer noch die Hintertür offen hält, dass es ja schon nicht so schlimm sein kann. Je weniger Angst die Menschen haben, desto weniger verstehen sie die Notwendigkeit der Maßnahmen. In dieser Situation von Freiheitsentzug zu sprechen ist so abgrundtief verblödet, dass man sich wirklich fragt, ob die Leute überhaupt noch wissen, was Freiheit bedeutet. Wissen die Leute, was Triage ist? Was es bedeutet, Entscheidungen zu treffen darüber wer ggf. leben darf oder wer sterben muss? Wie ist es mit dieser Freiheit der Gewissensentscheidung? Wie ist es ist der Freiheit der besonders Gefährdeten? Ist ihre Freiheit weniger relevant? Sollen die doch daheim bleiben?
Natürlich gibt es „Systemrelevanz“! Ob Du das Wort als faschistoid einordnen magst oder nicht. Deshalb waren ja noch die Lebensmittelmärkte offen. Deswegen arbeiten die Sozialarbeiter, deshalb sorgen die Banker dafür, dass die Kapitalflüsse aufrecht erhalten bleiben. Ja – es gibt Systemrelevanz! Nein, der Friseur ist nicht systemrelevant. Aber was passiert denn, wenn man das Wort eliminiert? Wenn es das S-Wort nicht gibt, was magst Du denn dann sagen? Lautet die Antwort, wenn es keine S…. gibt, dann dürfen halt alle ganz normal weiter arbeiten?
„Den „symptomfreien Virenträger“. Ich frage mich, was so schlimm am Virus ist, wenn so viele symptomfreie Virenträger frech damit herum laufen.“ – tja, das ist das Grundproblem, das viele diesen Begriff nicht verstehen können. Ich habe es oben schon beschrieben. Das ist mit zwei Sätzen nicht zu erklären. Frau muss sich darauf halt einlassen. Es gibt einige gute Artikel dazu – aber da muss man dann schon mal 20 Minuten Lesezeit investieren. Und nein, es geht nicht um Wahrheit, sondern um logisches Schlüsse ziehen. Wenn man sich darauf einlassen mag.
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meertau sagte:
Lieben Dank für die Mühe und diesen langen und ausdifferenzierten Kommentar. Ich stimme in großen Teilen zu (das mit dem brennenden Haus sehe ich allerdings ein bisschen anders) und natürlich wäre es wunderbar, die Mehrheit der Bürger käme über die Überschriften etc. hinaus.
Ja, es geht um Mathematik und daher ärgere ich mich auch über die wochenlangen „Zahlenspielereien“. Zunächst wurde die Bevölkerung fast ausschließlich mit absoluten Zahlen (Infektionen, Todesfälle etc.) versehen. Das halte ich für unredlich, da absolute Zahlen völlig ohne Aussagekraft sind. Was hilft es, wenn ich weiß, dass 1000 Deutsche täglich eine Sahnetorte essen? Information generieren wir aus relativen Zahlen (Übersterblichkeit Q1 etwa etc.) und die muss man suchen, oder sich selbst ausrechnen. Gerade weil ich wissenschaftlich ausgebildet und promoviert bin, ärgert mich, wie die sog. Leitmedien mit Zahlen umgehen. Daher kann man mir unterstellen, dass „Frau muss sich halt darauf einlassen“ durchaus gegeben ist, auch wenn ich zu anderen Schlüssen komme, als Du vielleicht.
Ich bin überzeugt, dass Sprache nicht einfach nur Wirklichkeit abbildet, sondern sie auch erschafft. Daher störe ich mich an dem Wort „Systemrelevanz“ weil es damit ganze Bevölkerungsteile in dieser Zeit (und hoffentlich nur in dieser Zeit) entwertet und diese Entwertung hat ja im übrigen auch massive wirtschaftliche Konsequenzen. Am Begriff der „Diskussionsorgien“ störe ich mich, weil ich denke, dass es einen Dialog mit den Bürgern geben muss und gerade in dieser Zeit, wo Grundrechte natürlich eingeschränkt werden (auch hierzu gibt es viele kritische Kommentare von universitär angebundenen Juristen).
Den Begriff der Diskussion zu entwerten durch den Zusatz von Orgien legt ja den Inhalt nah, dass es unnötige, überflüssige und nervige Diskussionen sind. Wenn man sie allerdings nicht führt, ist dies meiner Meinung nach Wasser auf die Mühlen der Hetzer und der neuen Rechten.
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wattundmeer sagte:
Es ist so spannend hier zu lesen! Und ich finde alle Kommentare wirklich fundiert, auch wenn ich nicht jede Meinung teile. Aber das Niveau dieser Diskussion ist mehr als angenehm!
„Diskussionsorgien“ war von unserer Kanzlerin meiner Meinung nach an ihre Ministerpräsidenten gerichtet und nicht so allgemein gemeint, wie es jetzt diskutiert wird. Und ich kann sie verstehen. Da gibt’s Konferenzschalten, man einigt sich und hinterher wird alles wieder in Frage gestellt. Das würde mich auch nerven. Darf nicht auch Frau Merkel mal ihren Unmut kundtun? Und wer war eigentlich so beleidigt, dass er diese Äußerung öffentlich gemacht hat ?
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Raul Katos sagte:
@Wattundmeer hat es auf den Punkt gebracht – „Diskussionsorgie“ war ein interne Bemerkung der Kanzlerin, die jemand nach außen schießen musste, um seinem Unmut Luft zu geben. Jetzt reden alle drüber und regen sich auf. Naja.
Ich bin mit der Kommunikationsqualität des RKI auch nicht glücklich. Aber ich weiß, wie unheimlich schwierig es ist, hochkomplexe Sachverhalte der Masse der Bevölkerung so rüber zu bringen, dass sie sie versteht und gleichzeitig dem Heer der (manchmal) vermeintlich Gebildeten keine Angriffsfläche zu bieten, die die eigene Kompetenz in Frage stellt. Das ist ein Drahtseilakt.
Ich arbeite zurzeit in einer Bank an einem Projekt, das gewisse banktypische Risiken adressiert. Als es zum Lockdown kam, wurde mir ein Schreiben ausgestellt, aus dem hervor ging, ich sei „systemrelevant“. Für mich war in dem Moment eigentlich nur wichtig, dass ich in die Bank fahren konnte und einen Nachweis hatte, dass ich „unterwegs“ sein darf (nebenbei gesagt, wurde ich – und vermutlich auch sonst jemand – nie kontrolliert). Ich gehöre also zu den Menschen, die noch arbeiten konnten und durften. Home-Office war zu dem Zeitpunkt technisch nicht möglich. Ich glaube nicht, dass meine Tätigkeit „systemrelevant“ war / ist. Aber das Projekt und die strategische Ausrichtung der Bank wäre in arge Bedrängnis geraten. Glück gehabt, könnte man sagen.
Ich habe mich intensiv mit dem Thema aus wissenschaftlicher Sicht befasst (Modellbildung, Simulation der Verläufe, statistische Aspekte, Annahmen bei der Infektion, Kontaktfrequenz, Übersterblichkeit, Reproduktionszahl, etc.). Ich habe einen sehr qualifizierten Kontakt aus China, der für die dortigen Provinzen diese Modelle zur gerechnet hat, und der die Verläufe der Krankheit sowie deren Einschätzung hinsichtlich der Risiken bewerten kann. Er befasst sich schon seit Beginn des Jahres intensiv mit dem Thema. Fazit: der Sachverhalt ist komplex und nicht vollständig verstanden; die Krankheit ist extrem aggressiv und – wenn man das so stehen lassen möchte – sehr hinterhältig (und deshalb, aber auch aus anderen Gründen, nicht mit einer saisonalen Grippe vergleichbar); das probateste Mittel die Anzahl der Neuinfektionen im Griff zu behalten, ist die Reduktion der Kontaktfrequenz (also wie viele Kontakte gemessen an der Zeit in der man das Virus weitergeben kann, hat man, bei denen man andere anstecken könnte).
Ich spreche immer wieder mit Leuten, die nicht verstehen können, warum das alles so hoch gekocht wird. Sie alle kennen die Argumente, aber sie nehmen sie nicht ernst. Am Ende glaubt jeder immer noch, dass es ihn / sie nicht erwischen kann. Dass die Maßnahmen das Schlimmste verhindert haben, wird nicht wahrgenommen / geglaubt. Das ist ein Dilemma, denn das Gegenteil zu beweisen, ist praktisch nicht möglich und will auch eigentlich keiner riskieren – wenn er / sie mal ganz ehrlich ist.
Aber die Frage bleibt nun offen: welche anderen Wörter / Begrifflichkeiten möchte man in der aktuellen Situation verwenden? Was wären die alternativen Namen für Bereiche des öffentlichen Lebens, die bei der Reduktion der Kontakte auf jeden Fall aufrecht erhalten werden müssen? Am Ende wird sich – egal wie der Begriff nun lautet – immer der/diejenige zurückgesetzt fühlen, der/die keine Arbeit mehr hat.
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Käthe Knobloch sagte:
Danke für diese Goldwaagenworte, liebe Chilischöne. Dass sie nötig sind, liest man an den Reaktionen. Und wir hören derzeit jeden Tag das Klimpern der Seelengulden in der jeweiligen Waagschale in den Momenten, da wir uns außerhalb von unserem eigenen Kosmos bewegen. Populismus wird gerade zum Massenphänomen, was wirklich übel ist. Aber auch die hinterfragenden Menschen denken laut.
Ich sende Ihnen einen bonfortionösen Rotschwungkuss und bleibe selbstdenkend zugetan, Ihre Käthe Knobloch, babelchenbalancierend.
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meertau sagte:
Herzliebe Blümerante,
ich danke für Ihre lieben Babelchengrüße und freue mich, sie so selbstdenkend und herzschreibend zu sehen :-). Bleiben Sie bitte fröhlich ……
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Herr Ärmel sagte:
Liebe Frau Meertau, ich danke Ihnen für Ihren anregenden Beitrag. Er fiel bei mir genau zwischen Herz und Kopf – also dahin wo er wirken kann.
Was die Veränderungen des Bewusstseins durch entsprechende Signalworte einer Sprache betrifft, bin ich ganz bei Ihnen.
Bei manchen anderen der von Ihnen erwähnten Aspekte, sieht man die Spaltung der Meinungen in den verschiedenen Kommentaren. Nur dass Meinungen eben kein Wissen sind.
Wie wenig wir wissen, kann jeder für sich selbst feststellen, wenn er beispielsweise die Wunder eines Gartens vor Augen hat. Und was den pandemischen Vorus derzeit betrifft, wissen selbst Fachleute sehr wenig.
Und alle Wahrheitenverbreiter aus den verschiedenen fachfremden Wissenschaften, die uns derzeit aus Funk und Fernsehen entgegensalbadern, wissen auch nicht mehr. Das einzige, was derzeit wirklich sicher ist und bedauerlicherweise zunimmt sind die Ängste in der Bevölkerung durch zu viele Informationen und Zahlenbespielereien.
Wir kämen – auch in den Kommentaren in Blogs – wesentlich weiter in gemeinsamen Gesprächen, wenn jeder Beteiligte seine Ängste unverhüllt vorstellen würde. Ich habe inzwischen den Eindruck gewinnen müssen, dass viele Zeitgenossen vor allem davor Angst, dass sich etwas ändern könnte in der Welt „nach dem Virus“.
Aber nach dem Virus (frei nach Sepp Herberger) ist vor der nächsten Krise.
Dass 1989 das kommunistische System zusammengebrochen ist, war nicht der Beweis dafür, dass das kapitalistische tauglicher sei.
Konsum, Spass und Bequemlichkeit / Faulheit wie bisher wird über kurz oder lang diesen Planeten zugrunde richten.
Wir brauchen dringend einen Dritten Weg. Und keine Dritte Welt.
Bleiben Sie wohlauf,
Herr Ärmel (aus dem Bembelland)
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meertau sagte:
Lieber Herr Ärmel,
ich stimme Ihnen zu und es wäre tatsächlich ehrlicher, mal über die eigenen Ängste zu denken und zu formulieren. Ich habe tatsächlich Angst vor Veränderungen. Die gesellschaftlichen Veränderungen, die eine monatelange „Hirnwäsche“ (nein, ich meine das jetzt nicht 100% erst, aber ein bisschen ist was dran) in den Hirnen macht, ängstigt mich. Ich schrieb über die vielen bösartigen Denunziationen auf der Insel (und auf dem Festland natürlich ebenso), die z.T. auch irrationalen Konsequenzen der letzten Wochen, beunruhigen mich zutiefst und ebenso die Tatsache, dass bereits ein in Frage stellen der landläufigen Ansagen dazu führt, dass man als „Verschwörungstheoretiker“ beschimpft wird, bevor sich jemand die Mühe machte, zu verstehen, worum es einem ging.
Vielleicht tritt jetzt auch nur deutlicher zu Tage, was nie anders war und nur ich war vermutlich zu naiv, es zu sehen. Das halte ich für relativ wahrscheinlich.
Dass wir einen dritten Weg brauchen und keine dritte Welt, finde ich einen herrlichen Satz. Darauf würde ich gerne mal einen sauergespritzten Bembel mit Ihnen und der Holden leeren….. mit Wohlfühlabstand 🙂
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Herr Ärmel sagte:
Liebe Frau Meertau, ich danke Ihnen für Ihre offene Antwort.
Ich wills genauso halten. Ich habe derzeit keine Ängste, nicht mal Furcht.
Allenfalls Befürchtungen.
Ich befürchte, dass eine unüberschaubare Menge Menschen, sich die Komfortzone, in der sich deren Leben abspielt, unbedingt behalten wollen.
Das bedeutet konkret, sie wollen konsumieren ohne Rücksicht auf die Umwelt. Spass haben, Party feiern etc…
Dabei besteht derzeit die Chance, sich zu beobachten und mal genau reflektieren, was man eigentlich wirklich braucht zum leben. Wie ist es mit der Achtsamkeit auf alles Lebendige, das uns umgibt.
Das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass momentan eine Menge Geschäfte in der Luft hängen. Wer vor einem oder zwei Jahren in eine neue Existenz investiert hat, dem wird die Luft jetzt dünn werden. Gastronomie und Tourismus leiden.
Dass die Neuwagenverkäufe hingegen um 60% zurückgegangen sind, erfüllt mich persönlich mit Freude. Keine Zuversicht, denn diese Käufe werden zu späteren Zeiten realisiert werden.
Ich befürchte, dass zu viele Menschen und kapitalkräftige Interessen zu rasch in alte Zustände zurückkehren wollen. Und im schlimmsten Fall auch werden.
Was den Begriff des „Verschwörungstheoretikers“ betrifft, der wurde von Leuten erfunden, die Angst vor Entdeckung ihrer Machenschaften hatten. Kritische Journalisten ebenso wie denkende, wache Menschen, die unbequeme Fragen stellten, wurden und werden damit diskreditiert.
Was die meisten Menschen in Kommentaren absondern, kann man anhand ihrer Beiträge in ihren eigenen Blogs einschätzen. Und anonyme Kommentatoren nehme ich nur ernst, wenn ich den Eindruck habe, dass sie meine Texte nicht mal schnell im Reader überflogen haben…
Unser Wohlfühlabstand ist derzeit enorm – ich erhebe hiermit mein Geripptes auf Ihr Wohl und das derer, die Ihrem Herzen nahe sind
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Kitty Koma sagte:
Es ist sich ein wenig am Thema vorbei, aber hier im Haus wurde über den Text heftig von verschiedenen Standpunkten aus diskutiert.
(wenn ich bei WordPress kommentiere, verschluckt das System gern den ersten Versuch. Deshalb kopiere ich lange Kommentare gern und hebe sie auf, um mein Glück noch mal zu versuchen.)
Ich denke da jetzt schon eine Weile darüber nach.
Für mich ist der Rückzug in die Kontaktarmut einfach, sie entspricht meinem Naturell, in ungeklärten Situationen erstmal Selbstsicherung zu betreiben und die Füße stillzuhalten. Ich halte mich nicht mehr für unverwundbar und habe noch einiges vor. Ich will mir Folgeschäden nicht leisten. (Und wenn mein Selbstschutz auch für andere Schutz bedeuten kann, erst recht.)
Ich bin aber auch in einer privilegierten Situation. Ich habe keine Kinder zu beschulen und nebenher zu arbeiten. Ich habe nicht wie meine Tochter ein Kleinkind, das zu Hause auf 24/7 Aufmerksamkeit von den Eltern konditioniert ist. Ich habe auch keine Firma in der Filmbranche mehr, denn dann würde ich jetzt auf den Nägeln kauen bis zum Blut, weil meine Einkommensbasis so nachhaltig wackelt, daß das auch keine Soforthilfe abfangen kann. Nebenher hätte ich den ganzen Tag Menschen am Telefon, die ihre Angst/Wut/Hilflosigkeit bei mir lassen würden. Wäre ich noch in diesem Job, ich bin mir sicher, ich würde mir die Statistiken ansehen und der Meinung sein, hier läuft was gewaltig falsch und vielleicht dreht da jemand im Hintergrund ein großes Rad, um uns alle zu manipulieren, unsere Unterwerfungsfähigkeit zu testen, die Wirtschaft zu ruinieren oder ich würde entsetzt merken, ich bin nur von Unterwürfigen umgeben.
Sprache kann Wirklichkeit erschaffen, ist die eine These. Die andere ist, daß das Sein das Bewusstsein bestimmt.
Was die Rhetorik betrifft, bin ich dagegen taub. versteckte Kriegsrhetorik und Massenkonditionierung mit beschönigenden Vokabeln begleiteten in meiner Kindheit und Jugend jede Getreideernte und jeden etwas kälteren Winter.
Meine Sorge im Februar und März war eher, ob diese Gesellschaft noch in der Lage ist, ihre mannigfachen individuellen Interessen zurückzustellen, um sich vor einer drohenden und schwer kalkulierbaren Gefahr zu schützen. Die großen Seuchenängste wie die vor TBC sind doch fast vergessen. (Mit AIDS finde ich das nicht vergleichbar, weil diese Seuche so eng an ohnehin stark konditionierte Sexualität gekoppelt ist.)
Individuelle Freiheit ist heute auch assoziiert mit grenzenloser Bewegungsfreiheit und spontanen engen Kontakten zu Fremden. Es war halt lange Zeit ungefährlich oder Schäden behebbar.
Ich möchte in den letzten Monaten nicht in der Haut der Kanzlerin gesteckt haben. Sie hat sich in diesem überalterten Land für den Schutz der Risikogruppen zu einem sehr hohen Preis entschieden. (Italien ist da mit ähnlicher altersstruktur sicher das abschreckende Beispiel gewesen.)
Die im Rahmen des Möglichen gewesene Entscheidung für das schwedische Modell, an die Vernunft zu appellieren und hinzunehmen, daß der Schnitter in den Alters- und Pflegeheimen umgeht (die schwedische Regierung hat ihre Gesellschaft rhetorisch auf sehr viele Tote als Preis für die Freiheit eingestellt), hätte diesem Land nicht nur einen am Brandenburger Tor rebellierenden Vegankoch eingebracht. Es hätte, so befürchte ich, den erbarmungslosen Wettbewerb des Individuums um den größten situativen Vorteil bedeutet. So ist es für alle unkommod.
Ja, es hätte eine andere Entscheidung geben können. Und ja, sie hätte auch Vorteile gebracht, bis hin zur Entlastung der Renten- und Pflegekassen (das meine ich sachlich, nicht sarkastisch, wir werden sehr alt und die letzten Jahre verbringen wir meist in mieser Lebensqualität).
Wäre die Seuche ungehindert umgegangen, hätte sie unsere Generation nicht umgebracht. Aber viele andere Menschen, weniger gesund, schlechter gehalten, älter, schon.
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meertau sagte:
Liebe Kitty,
lieben Dank für die persönlichen Zeilen. Ich muss ein bisschen schmunzeln, weil auch ich in den letzten Wochen es ganz privat sehr genossen habe, mich endlich zurück zu ziehen, nicht mehr funktionieren zu müssen im Kontext von Arbeit, und die Schönheit der Natur in aller Einsamkeit zu genießen.
Im letzten Teil, dass Deutschland (überalterte) Riskiogruppen schützt, bin ich ganz bei Ihnen und der Kanzlerin. Leider sind gerade in den abgesperrten Pflegeheimen die meisten Toten zu verzeichnen gewesen. Aber es ist dennoch angenehm, dass wir in Deutschland darauf verzichtet haben die Renten- und Pflegekassen zu „entlasten“. Das wäre der absolute Alptraum, wenn dies unsere Denke sein dürfte.
Dennoch finde ich es bedauerlich, dass der vegane Hetzer nun überall als Sinnbild des unvernünftigen „Widerstands“ durch die Schlagzeilen und Bilder mäandert und wieder alle kritischen Normalos gleich in solchen Ecken stehen. Das finde ich schon schlimm.
Interessant finde ich Ihre Immunität gegenüber Rhetorik und Massenkonditionierung, die Sie früh schon erwarben. Diese Immunität wünsche ich vielen von uns.
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Kitty Koma sagte:
Ich will noch mal auf die Zahlenspiele und die Panikmache zurückkommen, jetzt verstehe ich die Intention hinter dieser Äußerung besser.
Ich bin in der Hinsicht wissenschaftlich nicht beschlagen.
Von den vom RKI verbreiteten Zahlen habe ich mich sehr schnell verabschiedet, sie waren mir zu unpräzise. (Für eine maßgebliche staatliche Institution eine sehr schwache Leistung.) Ich bekomme jeden Abend nach Mitternacht die Zahlen von Risklayer. Das ist eine Gruppe von Freiwilligen, die die Daten der Landkreise ausliest und noch mal auf Konsistenz prüft. Dazu gibt es andere Datenschnitte als die absoluten Zahlen, man muß sich nur durchklicken.
Daß vor allem mit absoluten Zahlen gearbeitet wurde lag m.E. auch daran, daß Genesungsraten nicht verbindlich registriert wurden. Die Zahlen der Neuinfektionen in den entsprechenden Landkreisen waren nach ersten Anlaufschwierigkeiten problemlos greifbar. Ich bekomme sie für unsere Region per App aufs Handy.
Den Sprung zur R-Zahl halte ich für zu nerdig. Das versteht kein normaler Mensch.
Der Vorteil der absoluten Zahlen: Sie sind klar und kathartisch und das hat Vorteile.
Wenn ich das Verhalten der Menschen in meiner Umgebung sehe, ist eine Vermittlung der Gefahr mit starken Worten und Regeln hilfreicher als ein netter Appell an die Selbstverantwortung. Hier reagiert man erst auf sehr klare Anweisungen.
Die paar Hanseln, die hier selbstverantwortlich handeln, sind in der Minderzahl. (Mein Nachbar zum Beispiel, der zu nahe kommende Besucher mit einer kurzen lauten Ansage auf Distanz schickt.)
Auch Diskussionen sind zwar wünschenswert, aber m.E. in dieser Situation nicht zielführend. Ich vergleiche einen Staat immer gern mit einem Supertanker. Kursänderungen sind schwierig und langwierig. Wenn eine heftige, noch unkalkulierbare Gefahr naht, diskutiert der Kapitän nicht mit der Mannschaft. Er gibt Anweisungen nach Informationsaustausch mit den nautischen Offizieren.
Nun gibt es aber viele Unter-Kapitäne in einem förderalen Staat und einen, der sich sichtlich als Kanzlerkandidat profilieren will. Und schon deshalb traue ich diesem von PR-Gedöns begleiteten Schnellstart nicht.
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wattundmeer sagte:
Mich erinnert diese ganze Diskussionen an die Flüchtlingskrise. Erst wurde die Kanzlerin weltweit für Ihre Humanität gefeiert (als sie die Grenzen öffnete), auch hier in Deutschland, und dann schlug die Stimmung um. Jetzt hatte sie frühzeitig den Lockdown durchgesetzt (der so oder so gekommen wäre), viele Leben damit gerettet, wurde für Ihre Besonnenheit auch wieder gelobt und nun sind wir an der humanitären Katastrophe vorbeigeschrammt und die Stimmung schlägt um. Schade
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meertau sagte:
Interessanter Vergleich! Das hat was mit dem Muster der umschlagenden Stimmungen. Andererseits kann man Menschen auch nicht gut sehr lange wegsperren, ohne dass sie murren und Fragen stellen oder Wahrheiten zumindest doch hinterfragen. Dass alles ständig hysterisiert und emotionalisiert wird finde ich allerdings ziemlich unerträglich.
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Stefanie sagte:
Bestechendes Glücksrezept. Ich bin total überzeugt, dass es funktioniert. Leider bekomme ich trockene Lippen von Lippenstiften. Hab schon sämtliche Marken ausprobiert. Aber vielleicht gehe ich jetzt doch noch mal auf die Suche nach dem Glück. Liebe Grüße auf die Insel, Stefanie
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Solminore sagte:
Hahaha! Das erinnert mich an eine etwas seltsame Szene, deren Zeuge ich einmal auf einer Busfahrt wurde: Es war Freitag abend, und mir gegenüber saßen zwei junge Frauen, aufgehübscht und guter Laune, offensichtlich im Begriff, feiern zu gehen. Ich hatte ihrem Gespräch nicht zugehört, doch plötzlich ließ mich etwas aufhorchen. Da sagte die eine mit Entschiedenheit im Tonfall zur anderen: „Was auch passiert, egal, wir haben Lippenstift! Wir. Haben. Lippenstift!“
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Solminore sagte:
@Kitty Koma: „Den Sprung zur R-Zahl halte ich für zu nerdig. Das versteht kein normaler Mensch.“ — Die Basisreproduktionszahl R ist nicht schwieriger zu verstehen als Zinseszinsrechnung. Tatsächlich ist das sogar genau dasselbe. Lernt heute jeder in der Schule.
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Kitty Koma sagte:
Ja, aber wenn zum Beispiel die Anzahl der Tests variiert, ist der Wert nicht mehr so valide wie er scheint.
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Kitty Koma sagte:
(Mal ganz davon abgesehen, was auf der Straße angesprochene Menschen noch über Zinsrechnung wissen würden.)
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