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Mein Leben ist ein langer ruhiger Fluss geworden, seit es der Welt gefallen hat, eine Pandemie auszurufen. Meine Jobreisen sind auf ein Minimum reduziert, meine Souveränität hat Risse bekommen, und so manche Leidenschaft liegt herum und wartet wie eine alte Luftmatratze darauf, wieder aufgeblasen und zu Wasser gelassen zu werden.
Ich habe mich am Riemen gerissen und meine Wut an die Leine gelegt, das Schulterzucken geübt und trainiere mich in Gleichmut. Der engelsgleichen Wunderheilerin begegne ich mit der gleichen Freundlichkeit wie den wütenden Besserwissern, die uns alle am liebsten komplett wegsperren wollen. Ich übe mich in Gleichmut und tiefem Ausatmen und gehe dann Regelkonform mit den beiden Freundinnen tageweise abwechselnd mit den Hunden an den Strand.
Die frische Brise lüftet die schweren Köpfe und lässt Albernheiten in die Seelen schäumen. So platzen wir dann einfach vor Lachen und werden bis zum letzten Atemzug unser Leben genießen. Natürlich finde ich es durchaus verwunderlich, wenn fremde Menschen ein freundliches „Moiiiiiiin“ mit einem stummen und mieseptrigen Gesicht unbeantwortet lassen. Aber ich freue mich dann einfach, dass ich nicht sie sein muss und ziehe pfeifend meine Runden.
Was mich allerdings beunruhigt ist, dass die Zeit sich während der Pandemie geändert zu haben scheint. Z.B. blogge ich täglich im Kopf und nehme mir vor, es abendlich in den Laptop zu hämmern …. oder halt morgen….. oder halt morgen…. Und dann sehe ich in das Blögchen und muss feststellen, dass hier jemand am Datum herumgeschraubt hat. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass der letzte Eintrag mit „November“ eingestellt ist. Möglicherweise haben sich aus Langeweile Zeithacker entwickelt, die Blogs mit falschen Zeitangaben versehen und sich dabei – für mich völlig unverständlich – ins Fäustchen lachen? Oder aber doch….. lebe ich plötzlich in einer langsamen Zeit, oder ohne Zeit, oder in einer unendlich ausgedehnten Gegenwart?
Ich weiß es nicht und sollten Sie an meinem Verstand zweifeln, so haben Sie sicherlich vollkommen recht. Ich habe z.B. tatsächlich den Karneval völlig verpennt und bin nur darauf gekommen, weil jemand was über Aschermittwoch schrieb. Da dachte ich „Oh, ist Fasching vorbei?“ und natürlich ging es mir mit Ostern ebenso und jetzt frage ich mich gerade, ob ich den Sommer vergessen habe und bald schon wieder Weihnachten ist?
Ich kann Sie beruhigen: Bis Weihnachten ist es noch eine Weile hin, aber es würde ja wirklich keinen Unterschied machen, wenn morgen der 24. Dezember wäre.
Der Mensch braucht Strukturen, Meilensteine, Anhaltspunkte, dafür eignen sich saisonale Anlässe. Nur jetzt halt nicht. Jetzt halten wir uns an Inzidenzien, Impfquoten und Prognosen zur Aufhebung der Beschränkungen. Daran kann man sich auch orientieren, wozu brauchen wir Weihnachten? 😉
Schön, wieder etwas von Ihnen zu lesen! 🙂
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🙂 Ganz geeeeeeeeeeeenauuuuuuuuuuuuuu…..! Wer braucht schon Weihnachten, Anhaltspunkte und Ostern, solange wir Anhaltspunkte und Meilensteine haben!!! Schön von Ihnen zu lesen 🙂
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Liebe Rosmarin,
was Du beschreibst, kann ich bis zu einem gewissen Grad nach empfinden. Ich wundere mich häufig, wie schnell die Zeit vergeht. Von einer Woche zur nächsten, von einem Monat zum nächsten, von einem Jahr in das darauf Folgende.
Für mich ist es im Prinzip nicht so schlimm, da ich in meinem Alter mittlerweile Geduld gelernt habe. Ich schreibe fast jeden Tag auf facebook und dazu noch ein privates Tagebuch. Es gibt immer etwas „zu leben“. natürlich gibt es bei mir die Dauerbeschäftigung Klavier Üben. Ich arbeite also im Durchschnitt jeden Tag drei Stunden am Klavier, wobei ich nicht nur für ein eigenes Konzertprogramm übe, sondern jetzt auch Lieder und Arien mit einem russischen dramatischen Sopran erarbeite. Also habe ich jede Woche einmal Klavierstunde, Doppelstunde, jede zweite Woche kommt die Sängerin, ebenfalls 2-3 Stunden, und jede 2. oder 3. Woche ein Violinist, mit dem ich gemeinsam musiziere.
Sollte mir fad werden, lebe ich die restliche Zeit am Kochtopf aus. Darüber gibt es dann auch EInträge auf Facebook. Ich hätte gerne einen Hund, doch mein Gehapparat ist etwas behindert. Und bei der Größe eines Hundes haben meine Frau und ich unterschiedliche Vorstellungen.
Wie Du also lesen kannst, leide ich unter Lockdown oder anderen Einschränkungen nicht so schlimm. Ende des Monats bekommt meine Frau und ich die erste Impfung, anfangs Juni dann die zweite.
Dann könnte ich auch wieder mehr Gäste einladen als nur Einzelpersonen.
Eines ist allerdings bedauerlich. Den 70. Geburtstag werde ich erst in einem Jahr feiern können. Na gut 71 ist ja auch nicht so schlecht. Das ist übrigens die Nummer der Straßenbahn, die in Wien zum Zentralfriedhof fährt. Aber ich hoffe, dass wir nicht so bald draufgehen werden.
Ganz liebe Grüße aus einem ge-lock-down-ten Wien.
Hans, vulgo Steppenhund 🙂
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Lieber Hans,
wie schön zu lesen, wie umtriebig du musikalisch unabhängig von diesem ganzen Wahnsinn bist! Fad ist mir auch niemals….. ich weiß gar nicht wie das geht….. aber ich vermisse meine alte berufliche Zeit mit vielen Reisen, Hotels und den vielen unterschiedlichen Menschen in lustigen Seminargruppen.
Ja, natürlich kann man das auch online machen….. aber die großen Konzerne haben die Schnelligkeit leider nicht erfunden und dameln in unendlich traurigen Versuchen vor sich hin. Mit einigen Kunden geht es gut, mit anderen geht gar nix….. und zum ersten Mal in meinem Leben vermisse ich „die gute alte Zeit“.
2007 war dieses ganze Digitalisierungsgedöns und die virtuelle Kooperation mein Dissertationsthema. 13 Jahre später holt mich das ganz anders ein und mit sehr viel unfreiwilligen Notwendigkeiten. Also spaziere ich viel am Meer, schaue Löcher in die Luft und übe mich in Sprachlosigkeit.
Ganz liebe Grüße nach Wien, das ich so gerne mal wieder unbeschwert besuchen würde (also weniger Wien als seine Menschen) 🙂
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Von mir würdest du auf jeden Fall ein freundiches „Moin“ zur Antwort bekommen! 🙂
Habe deinen Beitrag gerne gelesen und mich in so manchem Satz wiedergefunden! Liebe Grüße und… halt durch!
Gila
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Moiiiiiin :-)…… ja das freut mich und ja…. es gibt ja auch sehr nette Menschen …. über die ich offenbar zu wenig schreibe 🙂
*halten wir alle einfach durch*
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Liebe Frau meertau,
als eine der sogenannten vulnerablen Personen lebe ich seit über einem Jahr weitestgehend isoliert und starre auf die Belegung der Intensivbetten, im Wissen, dass man mir keines mehr geben würde, wenn es eng wird.
Inzwischen bin ich gempft. Es war ein Kampf an die Spritze zu kommen und mein Blick verschiebt sich von der schieren Todesangst auf all die gesellschaftlichen Auswirkungen dieser Pandemie (die ich keineswgs für erfunden und auch nicht für überbewertet halte, aber für unfassbar mies gemanagt und als Gelegenheit genutzt, uns zu gängeln und zu spalten).
Die gute alte Zeit wird nicht zurück kehren, aber ich hoffe sehr, das wir als Gesellschaft wieder zusammen wachsen und uns morgens mit einem herzlichen „Moin“ begrüßen.
Schön, Sie wieder zu lesen!
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Liebe Tikerscherk,
wie üblich, bringen Sie die Sachen mal wieder auf den Punkt. Mieses Management, ja…. wir hätten es vielleicht auch nicht besser hin bekommen, aber das ist nunmal des Politikers Job.
Mein Verstand ist eine Kippfigur geworden…. mal sehe ich es so….. mal sehe ich es anders. Dass die gute alte Zeit nicht zurückkehren wird, denke ich auch. Ich bedaure das ehrlich gesagt auch. Vieles mache ich wie alle nun online und freue mich, dass ich nicht so oft im Zug sitze. Und doch…. ist Präsenz einfach lustiger, fröhlicher, menschlicher.
Angst zu installieren ist psychologisch gesehen einfach. Sie wieder zu fortzuschicken fast unmöglich (und sicher auch nicht gewollt).
Ich freue mich für die Menschen die sich impfen lassen wollen und können und bedaure zu lesen, dass Du dich dafür anstrengen musstest. In meinem Umfeld mehren sich die Impfvordrängler, die jungen Leute, die mit wirklich fadenscheinigen Geschichten sich eine Impfung erlügen. Das finde ich unendlich widerlich und es ist nicht vom „Hörensagen“…. ich kenne die hässlichen Details leider aus Familie und Freundeskreis (der jetzt wieder kleiner wird).
Toi toi toi uns allen und bleiben wir fröhlich!
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Ja, bleiben wir fröhlich, trotz allem.
Ich hoffe sehr auf Versöhnung, wenn alles erst vorbei ist (lieber noch davor) und ich hoffe, dass wir wieder lernen miteinander zu reden, ohne uns gegenseitig zu diffamieren, nieder zu schreien, zu zerfleischen (und bei diesem Wunsch schließe ich mich ausdrücklich mit ein).
Ich wünsche mir Solidarität untereinander.
Liebe Grüße!
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Weihnachten ’23 wär auch ok, ebenso wie endlich Sommer 2022! Insofern ist’s ja in Ordnung, wenn die Zeit flimmert. / Herzlich!
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Tatsächlich frage ich mich gerade ob wir schon 2022 haben, aber nein, Sie scherzen lieber Schneck….. das finde ich wunderbar und mein Herz und Immunsystem jubeln 🙂
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Liebe Chilischöne,
die Zeitchen sind noch vergänglicher geworden in diesen Verwirbelungszeiten. Halten Sie sich einfach an Ihrer Liebe fest. Und an Ihrem klaren Verstand.
Grüße aus dem Zweistromland mit Armvollfliederduft, die Ihre.
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Ja, jetzt ist tatsächlich bald dannwieder Weihnachten. Und man hatte Gedanken, so viele wie jedes Jahr. Hauptsache, das Meer pfeift und der Wind rauscht. /Herzelich!
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