das auch in der Fischerei, die Globalisierung den Mittelstand auffrisst. Von den ehemals 25 Fischern auf der Insel, sind nur noch 5 Schiffe übrig geblieben. Die großen Konzerne haben inmitten der Meere haushohe Schiffe, die gleichzeitig fangen, verarbeiten, verpacken, einlagern. Wenn wir morgens im Hafen von einem der verbliebenen 5 unseren Fisch holen, dann ist das die Nostalgie der Zugereisten, der Touristen, der alten Haudegen, die nicht viel zum Leben brauchen und einfach weiter machen. Alle paar Wochen stehen Lemmy und seine Fischerfreunde Henning und Uwe am Bottich. Sie machen Fischfrikadellen zum Verkauf fertig und es gibt Männergespräche, Schnaps und Männergespräche. Der Herzensmann, den sie dann gerne dabei haben, einfach weil er einer der wirklich netten Zugereisten ist, kommt dann recht betrunken, aber im Vollbesitz aller Männerweisheiten, nach Hause.
Dennoch geht die Woche gut zu Ende und tatsächlich erreiche ich die rotfüchsige Freundin, nach vielen Jahren, endlich mal am Telefon. Unzählige SMS sind offenbar ins Leere gegangen, aber das ist eine Geschichte für sich und wir freuen uns einfach, miteinander zu schnacken und es ist völlig egal, dass wir uns zuletzt auf Paules Beerdigung sahen.
Während wir telefonieren, zähle ich mit dem Möchtegernwindhund zehn Rehe, die uns freundlich anschauen und im Supermarkt meines Vertrauens, stehe ich neben einem 2 Meter großen Frosch. Die Insel ist tatsächlich im Karneval-Fieber, und in des kleinen Hauptstädtchens Mitte hat man ein großes Zelt aufgebaut. Während wir abendlich auf einer Krimilesung dem Schlaf verdammt nahe kommen, wummert die Musik aus dem Zelt am Marktplatz. Man hat fünf Rettungswagen postiert, um die jungen Kerle und Girls, die sich evtl. überschätzen werden, abzutransportieren.
Früh abendlich, als ich noch mit dem Hund am Südstrand flaniere, bringt das Rettungsboot Henning und Uwe in den Hafen. Die beiden Kumpel von Lemmy und dem Herzensmann hatten heute ihre letzte Fahrt und sind nun für immer von Bord gegangen, aber das weiß ich da noch nicht.
Nächtens ruft Lemmy an und spricht das schnell ins Telefon: „Henning und Uwe sind nicht mehr. Ihr Schiff wurde zerschellt gefunden und die sind jetzt nicht mehr. Halt jetzt den Sabbel, da gibt’s nicht mehr zu sagen“ und legt auf.
Der Herzensmann nimmt ein Taxi und fährt in die Hafenbar, die Henning heute für eine geschlossene Gesellschaft gemietet hatte. Er wollte dort Karneval feiern. Nun sitzen der Mann, der Leuchtturmwärter und ein paar der Fischer in der Hafenbar und lassen sich volllaufen, während sie weinen. „Halt den Sabbel jetzt, ……“ rufen sie sich zu, um sich zu beruhigen über die Tatsache, dass Leben und Tod nur ein Fingerschnips voneinander entfernt sind.
muetzenfalterin sagte:
Das ist sehr traurig.
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datja sagte:
pfff …uff
ich halt einfach meinen schnabel.
leicht ist das nicht.
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Vibesbild sagte:
Wie tragisch… Wissen Sie, liebe Ro, das ist etwas, womit ich mich am Tod nicht anfreunden kann, dass er so schneidend, so gravierend, so irreversibel ist. Die Erde dreht sich gemächlich weiter, die Sonne nimmt ihren Lauf, vollkommen unberührt davon, dass die Seele weint.
Wahre Freundschaft ist unabhängig von Zeit, Ort und Raum. Wenn Seelen sich berührten, werden diese Koordinaten überflüssig. Bei rotfüchsigen Freundinnen. Auch bei Henning und Uwe. Liebe ist. Tod auch. Und das ist eben das Absurde, welches uns ermahnt, Verbindungen in vollen Zügen zu genießen. Damit Sonne bleibt und Wärme für die stürmischen Zeiten. Möge es den Beiden gut gehen, dort, wo sie nun sind.
Liebsten Gruß an Sie, Ihren Herzallerliebsten und das Möchtegern-Windhundfrollen
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meertau sagte:
liebes vibesbild, und wieder tritt mich jedes ihrer worte, weil ich es genau so empfinde, ohne, das ich das so sagen könnte
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Flowermaid sagte:
Wie gut, dass du diese Geschichten erzählst. Ich freue mich die Beiden noch kennen gelernt zu haben…
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meertau sagte:
ach… wenn es doch nur eine geschichte wäre….
das makabre ist, dass wir ja in dieser lesund sassen. auszüge aus einem krimi, völlig einschläfernd, und der auffindeort im krimi, war zeitgleich der auffindeort in echt da draussen. ganz schlimm.
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Flowermaid sagte:
… das hatte ich auch so verstanden und war total berührt…
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meertau sagte:
ja…si claro liebes blumenmädchen…. ich dachte ja nur laut und wünschte, es sei wirklich eine geschichte. und danke,…. für ihr berührtsein!
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Anhora sagte:
Das Meer, die Berge, die Autobahn – überall lauert der Tod, auch wenn wir es noch so wenig wahrhaben wollen. Und jeder trauert auf seine Weise, und gemeinsam „nicht zu sabbeln“ ist eine brauchbare Variante.
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meertau sagte:
das finde ich auch @nicht sabbeln…. und gemeinsam
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kaetheknobloch sagte:
Beim Lesen war da noch Distanz, trotz Ihrer erschütternden Sätze. Doch im Verbund mit der Musik fließen nun Tränen für Männer, die ich gar nicht kannte aber aufgrund Ihrer Beschreibung achten lernte.
Wir werden heute Abend einen Schnaps auf die beiden trinken und am besten noch einen zweiten auf die, die noch mittrinken können.
Halten Sie den Herzbesten ein Weilchen für mich mit, mitfühlend die Ihre.
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meertau sagte:
ach käthchen…. du herzensgute…..
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karfunkelfee sagte:
Geht nah.
Ich halt meinen Sabbel.
Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.
Ach, doch…
…Danke….
fürs Teilhabenlassen und Lesendürfen
Mit lieben Grüßen von der Karfunkelfee
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